„Neu lernen, mit unserer Unterschiedlichkeit zu leben“
Quelle: bistum-aachen.de
Jahresschlussandacht mit Bischof Dr. Helmut Dieser im Aachener Dom
Aachen, (iba) – „Wir leben in Deutschland und in Europa in offenen Gesellschaften, also mit offenen Türen. Menschen dürfen kommen und gehen. Menschen, die sich vor Krieg und Terror zu uns flüchten, dürfen bei uns um Asyl erbitten. Das ist nicht nur die Politik der Bundeskanzlerin.
Es ist schlichtweg das Gebot unserer Verfassung, des Grundgesetzes.“ Das betonte Bischof Dr. Helmut Dieser in der Jahresschlussandacht im Aachener Dom.
Doch gerade kurz vor Weihnachten geschah das Unfassbare: Ein Attentäter lenkt einen Lastwagen in den Berliner Weihnachtsmarkt, um möglichst viele Menschen zu töten. Wie gehen wir mit dieser Bedrohung und den daraus resultierenden Ängsten um? Als Kirche müssen und können wir den Dingen ins Gesicht sehen, davon ist der Aachener Bischof überzeugt. Und er forderte dazu auf, zu analysieren und zu differenzieren. Nur so kann verhindert werden, dass gefühlte Wahrheiten die Stimmung beherrschen, bevor wirkliche Gewissheit herrscht: „Diese Gewalt funktioniert vor allem dadurch, dass sie nicht richtig angeschaut wird, dass Halbwahres, Verkürztes, Abgefälschtes, Übertriebenes oder glattweg Gelogenes in Umlauf gebracht wird.“ Etwa gezielt verbreitete Falschmeldungen in sozialen Netzwerken, die nur einen Zweck haben: die Demokratie und ihre Errungenschaften in schlechtem Licht erscheinen zu lassen, die europäische Einigung und den Zusammenhalt Europas zum Zerbrechen zu bringen.
Wie können wir dem entgegentreten? Die Erzählung von Kain und Abel gebe eine Antwort. Kain und Abel seien Brüder, also aus demselben Ursprung. Damit sei von vornherein klar: Es gibt keine besseren oder schlechteren Völker oder Menschen. Ihre Entwicklung verläuft jedoch unterschiedlich, bringt verschiedene Kulturen hervor, in denen sich auch das Bild von Gott jeweils anders entwickelt. Und dennoch, so Bischof Dieser, Gewalt dürfe nie mit dem Glauben an Gott begründet werden. „Andere Völker als Heiden zu bezeichnen, das war ein Begriff, der auch dazu geführt hat, Gewalt zu rechtfertigen. Und umgekehrt sehe ich eine Bedrohung darin, wenn heute Muslime uns Christen als Ungläubige bezeichnen, und ich kann diesen Begriff für ein friedliches Zusammenleben nicht akzeptieren.“
Jede Religion und jeder religiöse Mensch stehe vor der Herausforderung, kritisch mit sich selbst zu sein. In einer globalisierten Welt muss jeder immer wieder neu lernen, mit der Unterschiedlichkeit von Menschen, Religionen und Kulturen zu leben.
Dazu benötige es Respekt voreinander und das offene Gespräch. „Wir müssen jeden Ansatz von Gewalt erkennen und höchst wachsam sein. Wir müssen aber an der Errungenschaft festhalten, die unsere Zivilisation gefunden hat: Nur der Staat darf aktiv Gewalt ausüben. Und auch er nur, um das Recht anderer zu schützen und durchzusetzen. Keine Familienclans, keine Ehren-Rache, kein Scharia-Sonderrecht!“, mahnte Bischof Helmut Dieser. Glaubt man also denen, die andere schlecht machen müssen? Denen, die respektlos oder gewalttätig sind in ihren Vergleichen und Sprüchen? Denen, die uns aufbringen wollen? „Wenn wir betende Menschen sind im Geist Jesu, ist das, so meine ich eine geistliche Abwehr- und Schutzhaltung, die wir genauso dringend brauchen wie digitale Firewalls und Virenerkennungssoftware. Denn wer für andere betet, hat Respekt für sie! Und lässt nicht zu, dass sie erschlagen werden von Lügen oder Spott oder Hass.“
Persönliche Worte des Dankes richtete Helmut Dieser an alle, die ihn als neuen Bischof so herzlich aufgenommen haben: „Ich danke besonders für das Vertrauen, das viele Menschen mir zeigen, für die große Zustimmung, die von Anfang an da war.“ Diesen Weg will er mit den Menschen weiter gehen: „Bischof und Bistum zusammen!“ (iba / Na 072)